All zu oft wird heutzutage über Toleranz geredet. Man soll
zum Beispiel die Meinung seiner Mitmenschen, Ausländer, verschiedene Religionen,
Neigungen und vieles mehr tolerieren. Das Thema Toleranz ist in jeder
Lebenslage aufzufinden. Und besonders in der heutigen Zeit zählt es als eine
Tugend und wird sogar gefordert. Intoleranz ist in einer modernen Gesellschaft
nicht gut angesehen. Aber Moment mal: heißt das, man darf Intoleranz nicht
tolerieren? Ist das nicht auch schon intolerant? Woher stammt eigentlich der
Begriff Toleranz? Sollte es zum Gesetz werden, dass jeder ständig tolerant ist?
Und wie lassen sich die gewonnenen Kenntnisse im Alltag anwenden? Auf diese und
weitere interessante Fragen möchte ich in meinem philosophischen Essay
Antworten finden. Dabei werde ich zunächst den Begriff Toleranz definieren:
Der Begriff Toleranz kommt aus dem Lateinischen und
bedeutet so viel wie „erdulden“ oder „ertragen“. Die Fähigkeit, tolerant zu sein
bedeutet, Anderssein oder Andershandeln (z.B. Herkunft, Neigungen, Moral) zu gestatten.
Dies erweckt nicht unbedingt den Eindruck, als ob man das
"Anderssein" wirklich akzeptiert , sondern es immer noch als unnormal wertet und achselzuckend hinnimmt, da man zwar nicht der selben Meinung ist aber mit dem Ausspruch "Ich toleriere das" einem Konflikt aus dem Weg gehen möchte oder sich
als moderner, weltoffener Mensch geben will. Man nimmt eine
passive Haltung ein. Ich empfinde Toleranz als Mitte zwischen Intoleranz und Akzeptanz, aber
auch als eine Art Ausrede. Der Begriff "Toleranz" müsste gar nicht
existieren, wenn die zu tolerierenden Eigenschaften gar nicht erst als anders
angesehen werden würden.
Ein Zitat des österreichisch-britischen Philosophen Karl Popper lautet: "Im
Namen der Toleranz sollten wir daher das Recht beanspruchen die Intoleranz
nicht zu tolerieren". Popper sagt damit, dass jegliche Intoleranz nicht zu
tolerieren ist, was in sich schon ein Widerspruch ist, da man, sobald man die
Intoleranz nicht toleriert, selbst intolerant ist. Jedoch wenn man selbst gegen
Intoleranz absolut tolerant wäre, so würde die Intoleranz ohne Frage Überhand
gewinnen, da die Toleranz nichts gegen diese tun würde und sie selbst würde
vernichtet werden.
Sollte die
Intoleranz also gegen z.B. Religionen, verschiedene ethnische Hintergründe oder
Neigungen durch etwa Zensur oder Androhung von Strafen verboten werden? Wenn ein Staat dies beschließt, so würden sich
die Menschen in ihrer Meinungsfreiheit beraubt fühlen, es würden noch größere
Abneigungen gegen das Verbotene entstehen und Anarchie könnte sich entwickeln.
Toleranz wird dann nur als Zwang gesehen, doch dahinter wird der Andersdenkende
mit überheblicher Verachtung geduldet. Man kann den Menschen zwar verbieten,
intoleranten Inhalt nicht öffentlich zu machen, doch deren Denken bleibt
unveränderlich. Um eine höhere Form der Toleranz, nämlich die Achtung und
Akzeptanz in einer Gesellschaft hervor zu bringen, muss dies zu einer Tugend
werden, sich in den Persönlichkeiten manifestieren und aus eigenem Antrieb
geschehen. Ein Staat (und ein Mensch) kann außerdem nur so tolerant sein, als
dass er seine eigenen Ideale weiter voran bringen kann und Intoleranz darf nur
so lange geduldet werden, wie sie niemanden psychisch oder physisch verletzt.
In diesem Sinne ist
Intoleranz gar nichts Schlechtes. Ich denke, man sollte grundlegend
unterscheiden, auf welches Ziel die Intoleranz ausgerichtet ist. Wenn zum
Beispiel in Deutschland eine Demonstration Rechtsextremer stattfindet, dann hat
der Staat, in dem die freie Meinungsäußerung erlaubt ist, die Demonstration zu
tolerieren, aber nicht deren Inhalt. Man darf nicht alles tolerieren, doch wenn
es die Situation erfordert, muss man auch scheinbar "intolerante"
Meinungen erhören, um einer Konfliktlösung näher zu kommen, da man Intoleranz
nicht mit Intoleranz bekämpfen kann. Aber manchmal ist es auch notwendig,
intolerant zu sein, wenn zum Beispiel ein Rassist einen Schwarzen bedroht,
sollte man dies nicht hinnehmen, sondern Zivilcourage zeigen und sich direkt mit dem Problem/dem Konflikt auseinandersetzen, natürlich ohne sich
selbst zu gefährden. In dieser Hinsicht stimmte ich K. Popper zu, aber man
sollte bedenken, dass es keine allgemeingültige Regel für den Einsatz von
(In)Toleranz gibt, denn ich denke, das Wort "Toleranz" ist ein viel
zu ungenauer Begriff, als dass man sich auf dessen Bedeutung berufen kann. Man muss
im Alltag sowohl tolerant als auch intolerant sein.
Wichtig ist mir,
dass verschiedene Meinungen gar nicht angezweifelt werden, sodass es nicht nur
die Möglichkeit "tolerieren" oder "nicht tolerieren" gibt.
Denn jede Meinung existiert, egal, ob sie toleriert wird oder nicht.
Letztendlich muss sich jeder persönlich trotz aller Diskussion für eine Meinung
entscheiden, entweder akzeptiert man einen Sachverhalt oder eine Position oder
man lehnt eine bestimmte Position ab oder wie J.W. von Goethe sagte:
"Toleranz sollte eigentlich nur eine vorübergehende Gesinnung sein: Sie
muß zu Anerkennung führen." Akzeptanz heißt aber nicht, dass man jede
Einstellung, die man respektiert sich selbst aneignen muss, sondern, dass man
diese für gültig hält. Nur weil man z.B. Homosexualität genau so wie jede andere
Form von Liebe oder Sexualität akzeptiert, heißt es nicht, dass man sie selbst
auch auslebt.
Die Toleranz ist
kein klar definierter Begriff, keine vorgeschriebene Handlungsabfolge und auch
keine Denkweise, sie ist eine umstrittene Tugend, die in einer modernen
Gesellschaft zwar allgemein gefordert wird, doch eigentlich nie zu wahrem Respekt
und Akzeptanz führt. Eine wirklich weltoffene Gesellschaft braucht keine
Toleranz, sondern Menschen, die erkennen, dass jeder verschieden ist und somit
unterschiedliche Meinungen entstehen und jeder selbst für sich entscheiden
muss, ob man eben dagegen oder dafür ist. Toleranz kann niemals absolut sein,
doch ist sie in vielen Situationen hilfreich, um Probleme zu lösen aber sie
sollte nicht missbraucht werden beziehungsweise als Ausrede verwendet werden,
denn: akzeptieren geht über tolerieren.